

6. Juli, 2021
AUS DEM BETT SPRINGEN/EXCITED FÜRS LEBEN SEIN
Meine beste Freundin hat mir heute Morgen eine Sprachnachricht geschickt. Das an sich ist nicht wirklich erwähnenswert, weil sie das mindestens einmal am Tag macht. Schon immer. Und wahrscheinlich auch für immer. Was hingegen erwähnenswert ist, ist ein Satz, der mir direkt aus der Seele sprach: „Ich will excited sein fürs Leben! Ich will mich abends auf den nächsten Tag freuen; nicht fünfmal auf Snooze drücken und mich dann eine Stunde später qualvoll und mühsam aus dem Bett hieven, mich dazu zwingen, den Computer hochzufahren und dann acht Stunden vor dem immer gleichen Bildschirm sitzen, die immer gleichen Sachen machen und mir einfach nur wünschen, dass Feierabend ist, dass Freitag ist oder dass Ferien sind. Ich will nicht mein ganzes Leben auf diese 3 F´s warten, sondern jeden Tag voller Vorfreude, auf alles, was kommt, aus dem Bett springen, es kaum erwarten können, vor lauter Kribbeln im Bauch schon zum Morgengrauen hellwach sein, trotz höchstens fünf Stunden Schlaf. Ich will leben!“
Ich glaube, ich habe mich noch nie so verstanden gefühlt von irgendjemandem, wie von dieser Sprachnachricht meiner besten Freundin. Es war fast schon unheimlich, denn fast dasselbe habe ich vor ca. einem halben Jahr, bei meiner letzten längeren Reise mit meinem Freund durch Slowenien, Kroatien und Italien, für 6 Wochen am Stück in unserem Auto und voller unglaublich schöner Momente, Erfahrungen und Erinnerungen, in mein Tagebuch geschrieben. Den folgenden Auszug habe ich über die Fahrt von Slowenien nach Kroatien geschrieben, verwundert darüber, dass sich selbst dieser unendlich lange Tag im Auto so viel schöner angefühlt hat, als alle anderen Tage davor, die ich mit meiner Masterarbeit oder der Jobsuche verbracht habe, obwohl doch eigentlich nichts passiert ist und ich Autofahren immer als anstrengend empfunden habe. Lest selbst:
„[…]Wir grölten und schrien mit, dann hörten wir nur noch zu bis uns auch das zu anstrengend wurde und der Radio aus blieb. Irgendwann hat auch die schönste Aussicht nicht mehr begeistert und nach sieben Stunden Fahrt wollten wir endlich ankommen. Wir fingen an, uns aufzuzählen, worauf wir uns alles freuen würden. „Eine Dusche“ fiel mir als erstes ein, „unser Bett“ war auch noch nachvollziehbar, irgendwann waren wir bei „meine stinkenden Klamotten ausziehen und mich einfach nur ins Bett fallen lassen, ohne auszuräumen und ohne Essen“.
Was mich am meisten an unserer Reise faszinierte war aber nicht die Müdigkeit oder das ständige Fahren, wie man vielleicht denken könnte, wenn man diesen Absatz liest. Nein, es war die Lebensfreude, die ich stückweise zurückkommen spürte. Wo ich mich normalerweise aus dem Bett quälen musste um halb acht, um dann erstmal eine halbe Stunde aufs Handy zu starren und irgendwelchen stumpfen Blödsinn auf Instagram anzuschauen, rauf und runter scrollte, und dann wieder rauf, mich ernsthaft fragte, warum ich jetzt überhaupt aufstehen sollte, nur, um dann den ganzen Tag am Schreibtisch zu sitzen und an meiner Masterarbeit zu arbeiten, eine Arbeit, die sich danach sowieso kein Schwein durchlesen würde und die ich nur schrieb, weil ich es musste. Früher hasste ich nichts mehr, als wenn Leute auf Fragen, warum sie bestimme Dinge taten, mit „Was muss das muss“ oder „Hilft ja nichts“ oder „Das Leben ist kein Ponyhof“ oder irgendeine beliebige Variation dessen antworteten. Wer bestimmte, dass das Leben kein Ponyhof war? Und warum musste man irgendwas tun? Wenn man seinen Job hasste und unglücklich war und das Gefühl hatte, sein Leben würde an einem vorbeiziehen, warum kündigte man dann nicht? Was war diese Macht, die Menschen dazu zwang, Dinge zu tun, die sie verzweifeln ließen, in den Selbstmord trieben oder einfach nur lethargisch werden ließen? Ich habe das nicht verstanden und mir geschworen, dass ich, falls ich jemals an diesen Punkt kommen sollte – Gott bewahre – sofort die Reisleine ziehen würde und etwas ändern würde. Mein Job macht mich unglücklich? Gut, dann kündige ich. Meine Ehe ist nicht mehr erfüllend und nur noch Streit? Dann trenne ich mich eben und bin erstmal alleine. Meine Masterarbeit erscheint mir sinnlos und ohne wirklichen Mehrwert? Dann schreib ich sie eben nicht.

Im Laufe der Jahre hat sich diese Einstellung geändert, das gehört aber wahrscheinlich zum Erwachsenwerden dazu. Zumindest ist es das, was ich mir versuche, einzureden, wenn ich das Gefühl habe, ich hätte meine Ideale verraten und würde wertvolle Lebenszeit absitzen, immer nur darauf wartend, dass es endlich richtig losging. Aber wann ging es denn endlich los? Jeden Tag saß ich am Schreibtisch, starrte aus dem Fenster und dachte an meine Kindheit. Als ich keine Sorgen hatte, einfach nur spielen und rennen konnte und eine tiefe innere Zufriedenheit verspürte.
Als Kind machte man sich eben nicht so viele Gedanken. Man dachte nicht ständig so schwere und zermürbende Gedanken und spürte nicht ständig einen Druck im Brustkorb, dass man Angst haben musste, irgendwas würde demnächst platzen. Als Kind stand man auf, hat gefrühstückt, ging raus mit seinen Freunden und Geschwistern, hat gespielt, dann gab es Mittagessen, dann ging es wieder raus bis es dunkel wurde, dann wurde man gebadet, dann wurde einem vorgelesen oder wenn man alles richtig gemacht hatte und heute sein Glückstag war, dann durfte man noch eine halbe Stunde Fernsehen gucken und dann ging es ins Bett und man war so erschöpft. Aber nicht so eine Erschöpfung, die man als Erwachsenere ständig spürt, sondern die Art Erschöpfung, die einem nochmal versichert, dass heute ein guter Tag war und man jetzt friedlich schlafen kann.
Wenn man erwachsen ist erlebt man eine andere Erschöpfung. Der ganze Körper tut einem weh, angefangen beim Nacken zieht es sich über die Brust- und Lendenwirbelsäule, über den Hintern, die Hüften und die Beine. Und den Kopf nicht zu vergessen. Man saß mal wieder den ganzen Tag in der immer gleichen Position am Schreibtisch, der Kopf war leer und schmerzte vor Belastung, aber der Rest, der Rest schmerzte vor Unterlastung, vor Nichtbetätigung. Der Mensch war nicht fürs lange Sitzen gemacht, der Mensch ist ein Bewegungsapparat, mit zwei Armen und einem Kopf, aber der Hauptteil ist fürs Rennen, fürs Sprinten gemacht. Um vor dem Feind zu fliehen, um stundenlang zu laufen, auf der Suche nach Nahrung oder einem sicheren Schlafplatz. Wenn ich nach einem langen Tag am Laptop ins Bett gehe, ohne vorher zumindest einen Spaziergang gemacht zu haben, träume ich oft davon, wie ich renne, kilometerlang. Und wenn ich aufwache, merke ich, wie meine Beine rennen wollen, wie sie selbst im Ruhezustand bereit dazu sind. Aber nein, es geht wieder nur an den Schreibtisch und es wird wieder nur zur Europäischen Zentralbank und ihrer Geldpolitik geforscht.
Deshalb brauchte ich morgens so lange, um aus dem Bett zu kommen. Und selbst nach acht Stunden Schlaf fühlte ich mich nicht erholt. Ich wachte schon mit Schmerzen auf, selbst dehnen oder Yoga halfen da wenig. Ich dachte ja schon, dass das eher von Innen kam, von meiner inneren Zerrissenheit und meinem inneren Kampf und der Suche nach einem Sinn. Wie gesagt, als Kind war ich mir sicher, mal etwas zu tun, das ich lieben würde und wenn es mir vielleicht nicht immer Spaß machen würde, so wusste ich doch, dass ich Menschen damit berühren könnte und der alleinerziehenden Mutter, die in der Fabrik schuftet und abends zu ihrem Sohn nach Hause kommt und eigentlich zu erschöpft ist, ihm noch etwas zu kochen, mit ihm Hausaufgaben zu machen und ihn dann ins Bett zu bringen und ihm was vorzulesen, dass ich dieser Mutter Kraft geben kann, Kraft mit meinen Worten und meinen Erzählungen und ihr Hoffnung geben kann. Hoffnung darauf, dass ihr Sohn mal ein einfacheres, glückliches Leben hat. Dass sie nicht alleine ist und dass auf Regen immer wieder Sonnenschein folgt. Dass ich sie inspirieren kann und auch selbst inspiriert bin.
Und diese Inspiration fehlte mir in den letzten Monaten. Ich stand auf, setzte mich an den Schreibtisch, schrieb an meiner Masterarbeit, machte mir etwas zu essen, schrieb weiter, ging spazieren, und ins Bett. Und am nächsten Tag von vorne. Und am nächsten, und am nächsten, und am nächsten. Und ganz selten war ich motiviert und begeistert von dem, was ich erfuhr. Die allermeiste Zeit fragte ich mich, wie ich jemand werden konnte, der Dinge einfach nur tat, weil er sie tun musste, weil das Leben kein Ponyhof ist und weil man schließlich nicht immer nur Spaß haben konnte, sondern der Ernst des Lebens begann.
Auf unserer Reise änderte sich das schlagartig. Jeden Morgen, mit der Sonne um 5:30 oder spätestens 6 Uhr war ich wach. Und zwar nicht, weil ich musste oder weil die Sonne mich aus dem Schlaf gerissen hätte und ich gerne noch weitergeschlafen hätte. Ich war so voller Vorfreude auf den Tag und alles, was er mit sich brachte, dass ich es nicht erwarten konnte, ihn zu beginnen. Ich bin mit einem freudigen Kribbeln im Bauch und einem so hohen Hochgefühl, dass man schon fast Angst haben musste, dass ich vornüber kippte, aufgestanden und war voller Tatendrang und Endorphinen. Selbst, wenn an dem Tag nur eine achtstündige Autofahrt anstand, das änderte nichts daran, dass ich wusste, dass ich den Tag so gestalten konnte, wie ich wollte. Wenn wir spontan ins Meer wollten und eine kleine Runde schwimmen wollten, dann konnten wir das ganz einfach tun. Einfach anhalten, aussteigen, ins Meer, und weiter.“
Immer, wenn ich auf Reisen bin, kommt dieses Gefühl, dieses „Excited fürs Leben sein“ zurück. Ich wache vor meinem Wecker auf, kann es kaum erwarten, aufzustehen und rauszugehen, egal, ob es noch kalt und dunkel ist oder regnet. Ich würde am liebsten gar nicht schlafen, aber weil ich den ganzen Tag an der frischen Luft bin, neue Erfahrungen machen darf und meinen Körper endlich wieder so benutzen kann, wie er benutzt werden sollte, nämlich zum Laufen, Schwimmen, Rennen und Tanzen, schlafe ich jeden Abend todmüde und glücklich ein. Ich brauche nicht viel, um glücklich zu sein, das merke ich immer mehr. Wo ich mir früher haufenweise Klamotten gekauft habe, immer mehr, immer das Neueste und Tollste wollte, trage ich heute dieselben drei Pullis und dieselben fünf T-Shirts, ohne das Gefühl zu haben, etwas zu verpassen, oder einen Mangel zu verspüren. Am glücklichsten bin ich, wenn ich frisches Obst vom Markt kaufen kann, das auch wirklich wie Obst und nicht nur nach Wasser schmeckt, guten Käse, ein Baguette und ein Chausson aux pommes oder ein pain au chocolat, und das auf meiner Terrasse mit einem guten Buch essen kann. Die Sonne im Gesicht, das Vogelzwitschern im Ohr und alle Zeit der Welt.

Ohne Termine, ohne Stress, ohne Druck. Ohne heute schon wieder an morgen zu denken, nur um dann morgen wieder an übermorgen zu denken, ohne ein einziges Mal den Moment, in dem ich mich befinde, wirklich wahrzunehmen, anzunehmen und zu meinem Moment zu machen. Ohne die Angst, etwas zu verpassen. Ohne ständig mich, mein Leben und meine Zeit optimieren zu wollen. Sogar die Zeit, in der wir schlafen, muss getrackt und optimiert werden. Nichts darf einfach nur so fließen, einfach da sein. Alles muss einen Zweck erfüllen. Jeder muss effizient sein, seine To-do-Lisen abhaken und von Termin zu Termin hetzen. Denn dann ist man busy. Dann ist man wichtig. Niemand scheint mehr zu hinterfragen, wozu es gut sein soll, busy und wichtig zu sein. Oder warum das eine Lebensmodell schlechter als das andere sein soll. Aber hier auf diesem Blog haben wir ein Motto: You do you, I do me. Und deshalb: Lasst die anderen links liegen! Wenn die immer nur von A nach B und von da nach C und wieder zurück hetzen wollen: Lasst sie doch.
Wenn sie der Meinung sind, dass das Leben keinen Spaß machen darf, weil man es sonst falsch macht, dann lasst sie in dem Glauben. Aber lasst euch nicht in diese Negativspirale mitreinziehen. Seid wieder excited fürs Leben. Begeistert euch an den kleinen Dingen. An den Dingen, die einfach da sind, ohne, dass ihr dafür arbeiten müsst. Den Duft der Frühlingsblumen, das Summen der Bienen, die hohen Berge, der kalte Atlantik, der aromatische Wein, die beste Freundin, das gute Buch, euer Lieblingslied oder ein leckeres Essen. All das kostet fast nichts. Und ist doch mit das Kostbarste, was wir haben. Erinnern wir uns wieder daran, wie es war, als Kind vor lauter Vorfreude nicht einschlafen zu können, wochenlang die Tage runterzuzählen und jeden Tag mit einem Lächeln einzuschlafen und mit einem noch größeren wieder aufzuwachen. Weil wir Lust aufs Leben hatten. Auf dieses wunderschöne Leben. Wir haben nur eins. Machen wir es zu unserem!

Ich freue mich, dass du auf meinem Blog gelandet bist!
Ich bin Rebecca, sechsundzwanzig Jahre alt und habe vor kurzem meinen Master in Volkswirtschaftslehre abgeschlossen. Seit etwa einem halben Jahr arbeite ich in einem jungen Startup. Das sind die Basics.
Aber das, was unter der Oberfläche steckt, das, was mich wirklich lebendig fühlen lässt, das erfahrt ihr hier.
Denn das Schreiben ist das, was mich wirklich erfüllt. Seit ich denken kann schreibe ich. Über alles. Über meine Ziele, meine Ängste, meine Träume, meine Sehnsüchte, meine Rückschläge, Reisen, die großen und die kleinen Dinge und alles dazwischen.