

05.Februar 2022
WARUM SCHEINEN EINZELNE MOMENTE ERST IN UNSERER ERINNERUNG WERTVOLL?
Im letzten Jahr hatte ich viel Zeit nachzudenken, wahrscheinlich mehr als jemals zuvor in meinem Leben. Ich habe über meine Zukunft, voller Unsicherheit gepaart mit Vorfreude auf alles, was noch kommt, nachgedacht. Ich habe mich virtuell in fremde Länder gebeamt, wenn es schon physisch nicht möglich war, und mir ausgemalt, wie es dort wohl riechen wird, ob es windig oder eher windstill ist, welche Obst-und Gemüsesorten dort angebaut werden und dementsprechend für wie billig auf dem Markt verkauft worden. Ich habe mir vorgestellt, in meinem Traumhaus mit meinem Traummann und meinen Traumkindern in meinem Traumland zu wohnen, nur dass mir dann bewusstwurde, dass ich so gar keine Ahnung habe, wie das überhaupt ausschauen soll.
Erinnerungen, die lebendiger als die Gegenwart sind
Am meisten habe ich aber über Vergangenes nachgedacht, über Erinnerungen, die so präsent sind, dass sie irgendwie vorne an den Frontallappen in meinem Gehirn gespeichert sind, so allgegenwärtig, dass ich manchmal nicht unterscheiden kann, ob es sich gerade um eine Erinnerung oder eine gerade passierende Sache handelt. Aber auch über Erinnerungen, die ich schon fast vergessen hätte, weil ich sie schon so verdrängt habe oder weil sie schon zu lange her sind. Als ich so über meine Erinnerungen sinniert habe, wurde mir bewusst, wie schade ich es finde, dass wir Momente, die dann zu prägenden, alles bestimmenden Erinnerungen werden, die uns auch Jahre danach nicht loslassen wollen, dass wir diese Momente niemals so genießen können, so klassifizieren, wie sie es verdient haben, sondern sie einfach genauso leben, wie jeden anderen Moment auch. Erst im Nachhinein, manchmal eine Woche, manchmal ein paar Monate und manchmal mehrere Jahre später holen uns die Erinnerungen ein und der Moment taucht wieder vor unserem inneren Auge auf, wir können uns in die Erinnerung hineinfallen lassen, ungefähr so wie Harry Potter in Dumbledores Denkarium, können Momente immer und immer wieder nachempfinden und wir verstehen endlich, wie prägend dieser Moment doch war.

Marmeladenglasmomente
Aber dann ist es schon zu spät. Es handelt sich schon um eine Erinnerung, um einen retrospektivischen Ansatz. Der Moment, den wir tatsächlich erleben mussten für die Kreation einer solchen Erinnerung, ist möglicherweise nicht halb so spannend und besonders gewesen, als wir ihn erlebt haben, weil wir mit den Gedanken woanders waren oder weil der Moment einfach als normaler Moment angesehen wurde. Erst im Nachhinein wird ein Moment dann zu einer Erinnerung aufgebauscht. Und man sammelt und sammelt und sammelt schöne Momente, versucht sie aufzubewahren und abzuspeichern, wie im Marmeladenglas des Gehirns, alles nur dafür, sich später erinnern zu können, wie glücklich man ja auch sein kann.
So schön es auch ist, sich immer und immer wieder in die Vergangenheit, in einen Zeitpunkt, einen Moment versetzen zu können, so schade finde ich es, dass die Magie des eigentlichen Moments, wenn wir ihn gerade fühlen, gerade mittendrin stecken, so schnell an uns vorbeirast. Einmal kurz gezwinkert und schon ist er vorbei. Man freut sich wochen- und monatelang auf eine Reise, denkt Montag schon wieder an Freitag und das Leben, das echte Leben, das außerhalb des eigenen Kopfes stattfindet, zieht mal mehr mal weniger unspektakulär an einem vorbei. Der Urlaub selbst vergeht schneller, als man „MeinGottistdasschönhier“ rufen kann, der Sonntagabend ist auch schon zur Stelle und die Minuten, die wir wirklich genießen, in denen wir nicht daran denken, dass es ja bald wieder vorbei ist, dass wir gleich wieder zurück in den Alltag, zurück ins Büro, zurück in die gewohnte Umgebung müssen, kann man an einer Hand abzählen.

Präsent sein
Ich frage mich schon lange, warum das so ist und vor allem, was ich dagegen tun kann. Ich will mich nicht mein Leben lang immer nur zurückerinnern. Ich will präsent sein. Ich will mich frei und lebendig fühlen. Den Wind in meinen Haaren. Das Adrenalin in meinem Körper. Ich will das Meer riechen, die Blumen und die klare Bergluft. Ich will mein selbstgekochtes Essen nicht hastig verdrücken, es nicht nur als Mittel zum Zweck, als notwendiges Übel, sondern als Geschmackserlebnis wahrnehmen, jedes Gewürz, jede Zutat herausschmecken, sie mir auf der Zunge zergehen lassen und in Gedanken nicht schon beim nächsten Meeting, der dreckigen Wäsche oder den ganzen Kalorien, die ich mir mit diesem Essen auflade, sein.
Ich will nicht versessen darauf und besessen davon sein, jedes kleinste Detail meines Tages mit dem Internet teilen zu müssen, nicht jemand sein, der nach dem Motto „pic or it didn´t happen“ lebt, für den ein Erlebnis nur wertvoll war, wenn er möglichst viele damit neidisch machen konnte. Ich will für mich leben. Nur für mich. Und ich will so viele schöne Momente und vor allem intensive Momente wie möglich erleben. Ich will mich zurückerinnern. Aber vor allem will ich die Gewissheit haben, besagten Moment wirklich gelebt zu haben. Mit allen Sinnen. Nicht nur für das Foto oder die Insta-Story. Nein, ich will es riechen, schmecken, fühlen, sehen und hören. Und zwar alles gleichzeitig. Mich dann zurückerinnern, wie lebendig und frei ich mich gefühlt habe. Und es wirklich gefühlt haben und mir nicht bloß alle Gefühle, die ich gern gefühlt hätte, einreden und mich in einen Moment oder an einen Ort zurückwünschen, den ich eigentlich nie wirklich erlebt habe. An dem ich zwar physisch, aber nicht geistig, nicht mental und schon gar nicht mit allen Sinnen anwesend war.

Ich freue mich, dass du auf meinem Blog gelandet bist!
Ich bin Rebecca, sechsundzwanzig Jahre alt und habe vor kurzem meinen Master in Volkswirtschaftslehre abgeschlossen. Seit etwa einem halben Jahr arbeite ich in einem jungen Startup. Das sind die Basics.
Aber das, was unter der Oberfläche steckt, das, was mich wirklich lebendig fühlen lässt, das erfahrt ihr hier.
Denn das Schreiben ist das, was mich wirklich erfüllt. Seit ich denken kann schreibe ich. Über alles. Über meine Ziele, meine Ängste, meine Träume, meine Sehnsüchte, meine Rückschläge, Reisen, die großen und die kleinen Dinge und alles dazwischen.