

15. August, 2021
KARRIERE ODER I DON'T CARE?
Was muss man haben oder machen, um in unserer Gesellschaft als erfolgreich zu gelten? Und was hat man eigentlich davon, erfolgreich zu sein? Ist man dann glücklicher oder sieht besser aus oder hat mehr Geld oder was hat man dann? Typischerweise sind es doch Statussymbole wie ein fetter BMW oder von mir aus auch gleich ein Porsche, der in der Einfahrt eines großen, sich nicht zu sehr, aber auch nicht zu wenig, von den anderen Häusern abhebenden Einfamilienhauses steht. Neben einem gepflegten Garten, dessen Rasen bis auf den Millimeter genau gestutzt ist, was vermutlich das Werk eines Rasenmähroboters ist. Diese Statussymbole zeigen uns, dass dieser Mensch oder diese Familie es geschafft hat. Die müssen irgendwas richtig gemacht haben im Leben. Die sind erfolgreich. Die haben genug Geld. Sind vermutlich beliebt, haben zwei süße Kinder, einen Jungen und ein Mädchen, haben einen Job, den sie zwar vielleicht nicht lieben, aber immerhin auch nicht verabscheuen, machen regelmäßig Sport, haben eine gute Beziehung zu ihren Eltern und Geschwistern und natürlich auch einen großen Freundeskreis. Außerdem sprechen sie vier Sprachen fließend und fahren mindestens dreimal im Jahr in Urlaub.
Bis auf die Tatsache, dass diese Familie mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit weniger Geldsorgen hat als die Familie zwei Straßen weiter, die in einem halb so großen Haus, ohne BMW aber dafür mit Fahrrädern wohnt, ist keine der Aussagen, die unser Kopf ganz automatisch zu treffen scheint, eine Tatsache, sondern nicht mehr als eine Annahme. Wir treffen ständig irgendwelche Annahmen. So ist der Mensch, das ist uns evolutionsbedingt so vorgegeben. Aber wir können selbst bestimmen, ob wir uns von diesen Annahmen, die wir unterbewusst treffen, unser Leben beeinflussen lassen wollen, unseren Wert diktieren lassen wollen, oder ob wir sie als das, was sie sind, akzeptieren und es dabei belassen.
Denn warum projizieren wir all diese Annahmen auf die schlichte Tatsache, dass diese Familie ein großes Haus mit großem Auto und schönem Garten hat? Warum gehen wir davon aus, dass so jemand beliebt sein muss, ein erfülltes Sexleben haben muss und auf jeden Fall weltgewandt und reiselustig sein muss? Weil wir diese Eigenschaften jemandem zuordnen, den wir als erfolgreich erkennen. Und das ist meistens jemand, der Karriere gemacht hat und sich voll und ganz auf den gesellschaftlichen Traum des Auto-Haus-Garten eingelassen hat. Jemand, der in den Augen unserer Gesellschaft erfolgreich ist, ist jemand, der auch in unseren Augen erfolgreich ist. Aber was ist Erfolg überhaupt? Und ist Erfolg wirklich für jeden das Gleiche? Hat Erfolg immer mit Geld oder materiellem Wohlstand zu tun?
Selbst, wenn dieser sogenannte Erfolg (also der materielle Reichtum) bedeutet, dass ich 90% meiner wachen Zeit mit Dingen beschäftigt bin, die mich entweder langweilen oder unglücklich machen oder beides? Die meinen Körper und meinen Geist gleichermaßen kaputt machen? Die mir die Lebenslust rauben? Die daran schuld sind, dass ich weder meine Kinder, noch meinen Ehepartner, noch meine Freunde jemals sehe? Dass ich mich nicht mehr daran erinnern kann, wann ich das letzte Mal einen ganzen Tag lang in meiner Lieblingsecke gesessen und gelesen habe, einfach so, aus Spaß und nicht, weil ich irgendwelche Fakten erfahren wollte oder mich auf irgendein wichtiges berufliches Seminar vorbereiten musste, sondern einfach nur, weil ich Lust auf dieses Buch hatte? Dass ich unter Dauerstress stehe und die Wahrscheinlichkeit, dass ich früher oder später einen Herzinfarkt erleiden werde, gar nicht so gering ist? Ist das wirklich Erfolg? Alles für die Karriere zu opfern, bis am Ende nichts mehr von mir selbst, von mir als Mensch, von dem, das mich im Innersten ausmacht, meiner Quintessenz, meinen Wünschen und Träumen und Ängsten, übrig bleibt?

Immer, wenn ich im Urlaub bin und mal wieder richtig Zeit habe, meine Gedanken schwei-fen zu lassen, fällt mir auf, wie viel glücklicher ich damit bin, nichts zu tun zu haben, als damit, unter Dauerbeschuss zu stehen. Und immer, wenn ich dann wie hier in Süd-frankreich in eine kleine Bäckerei oder einen kleinen Schmuckladen gehe, bei dem man sicher sein kann, dass die Besitzer zwar genug zum leben haben, aber gewiss nicht in Geld schwimmen, frage ich mich, ob einen Erfolg, also der, den wir über eine steile Karriere und wenig Freizeit definieren, denn wirklich glücklich macht.
Ob die Managerin eines DAX-Konzerns, die in irgendeiner deutschen Großstadt einen 8-21Uhr Job hat, wenn nicht sogar eher einen 7-22 Job hat, von Meeting über Meeting zu Meeting in ihre viel zu leere und viel zu große Penthouse-Wohnung zurückkehrt, unglaublich erschöpft aber gleichzeitig so voller Adrenalin und Koffein, dass Einschlafen unmöglich erscheint, und eine weitere schlaflose Nacht in ihrer Seidenbettwäsche auf sie wartet, wirklich glücklicher ist, als die Bäckerin in der Provence. Die zwar nicht mal die Hälfte, ja vermutlich nicht mal ein Viertel des Gehalts der Managerin hat, aber dafür Zeit hat, ihre Gedanken schweifen zu lassen. Mit ihren Händen arbeiten kann. Menschen glücklich machen kann mit ihrem Brot und ihrem Gebäck. Die Sonne genießen kann. Pünktlich Feierabend machen kann wenn noch genug Tag übrig ist, um etwas schönes zu erleben, ohne Rückenschmerzen oder tränende Augen todmüde und doch hellwach ins Bett steigen zu müssen, sondern einfach zu sein.
In den letzten Monaten wird mir mehr und mehr klar, dass ich keine Karriere haben will. Ich will nicht erfolgreich sein. Zumindest nicht so, wie die moderne Gesellschaft erfolgreich definiert. Ich will gut sein, in dem was ich mache. Aber vor allem, will ich Spaß haben, an dem, was ich mache. Ich will Zeit haben für mich, meine Gedanken, aber genauso für meine Familie, meine Freunde, meine Beziehung. Ich will zurückgeben, in einem Ehrenamt, mit Spenden, mit Kursen. Ich will nicht Unmengen an Geld verdienen und dafür mein Leben hassen. Bitte versteht das nicht falsch: Wenn ihr das lest und euren Job liebt und gerade die Karriereleiter erklimmt, vergesst bitte alles, was ihr hier gelesen habt. Das ist nur für LeserInnen gedacht, die, so wie ich, momentan in einem Job oder generell in einer Phase ihres Lebens feststecken, bei denen ihr Bauchgefühl nicht mehr mitmachen will, aber der Kopf die Kontrolle nicht abgeben will. Und so quälen sie sich Tag für Tag durch ihre acht Stunden Arbeit und können es kaum erwarten, dass endlich Wochenende ist und das endlich Urlaub ist und dass dann endlich, endlich, endlich, in 45 Jahren, die Rente naht.

Letztlich ist es ganz einfach: Erfolgreich sind für mich all diejenigen, die die meiste Zeit ihres Lebens mit etwas verbringen, das sie erfüllt oder das ihnen zumindest Spaß macht. Die sich um ihren Körper kümmern, aber genauso um ihren Geist. Erfolgreich sind für mich diejenigen, die den Mut haben, zuzugeben, den falschen Weg eingeschlagen zu haben, einen, der sie auf Dauer nicht glücklich machen wird. Erfolgreich sind für mich sowohl all diejenigen, die ihren Traum leben, die der Gesellschaft den Rücken gekehrt haben und jeden Tag in den Tag leben, den Moment genießen und sich keine Sorgen um Morgen machen. Erfolgreich sind für mich aber auch die, die jeden Tag 12 Stunden Minimum arbeiten. In einem Job, in dem sie sich wertgeschätzt und unersetzbar fühlen, den sie lieben und auf den sie sich jeden Sonntagabend beim Einschlafen mit einem Lächeln auf dem Gesicht freuen. Erfolgreich sein bedeutet für mich, dass man sich von den Normen und Zwängen der Gesellschaft befreit und das macht, das sich richtig anfühlt, nicht das, was richtig aussieht. Und dann kann es eben die Karriere sein. Oder das I don’t care Gefühl, dass man beim Urlaub des Öfteren mal verspürt. Es gibt keinen einen richtigen Weg, denn wie schon gesagt, ist dieser Weg für jeden anders.

Ich freue mich, dass du auf meinem Blog gelandet bist!
Ich bin Rebecca, sechsundzwanzig Jahre alt und habe vor kurzem meinen Master in Volkswirtschaftslehre abgeschlossen. Seit etwa einem halben Jahr arbeite ich in einem jungen Startup. Das sind die Basics.
Aber das, was unter der Oberfläche steckt, das, was mich wirklich lebendig fühlen lässt, das erfahrt ihr hier.
Denn das Schreiben ist das, was mich wirklich erfüllt. Seit ich denken kann schreibe ich. Über alles. Über meine Ziele, meine Ängste, meine Träume, meine Sehnsüchte, meine Rückschläge, Reisen, die großen und die kleinen Dinge und alles dazwischen.