18. Februar 2022

5 LIEBLINGSBÜCHER DER LETZTEN ZEIT

Ich wollte diesen Artikel eigentlich „5 Bücher, die man gelesen haben muss“ nennen – ganz klassisch, so wie gefühlt jeder zweite Blogbeitrag über Bücher aussieht. Es wäre aber erstens vermessen zu behaupten, ich würde wissen, welche Bücher gelesen werden müssen, beziehungsweise überhaupt die Annahme, dass es Bücher gibt, ohne deren Lektüre man nicht überleben kann. Und zweitens lese ich meistens im Schnitt ein Buch pro Woche, weswegen es unfassbar schwer gewesen wäre, sich für nur fünf Bücher zu entscheiden. Deshalb werde ich erstmal über die besten Bücher, die ich in den letzten Wochen gelesen habe und ein, zwei, die schon länger her sind, mich aber auch Jahre später noch beeinflussen, schreiben. Und in ein paar Wochen oder Monaten dann einen zweiten und dann einen dritten Artikel – ihr habt verstanden, wie es funktionieren wird, schätze ich. Also here we go, hier kommen 5 der Bücher, die mich in letzter Zeit zum Nachdenken gebracht haben, mich unterhalten haben, mich weitergebildet haben oder einfach ans Leben und die Liebe glauben lassen.

Unerhörte Stimmen – Elif Shafak 

Elif Shafak schreibt hier über eine Vielzahl von schwerverdaulichen, und umso wichtigeren Themen: Es geht um Gewalt, um die Rolle der Frau in der Türkei, um Prostitution, um Mord und Ausweglosigkeit. Aber vor allem geht es immer auch um Liebe, Freundschaft, Menschlichkeit und Hoffnung. Das Spannende an diesem Buch ist die Protagonistin, die schon ab der ersten Seite tot ist. Zumindest körperlich. Ihr Gehirn kommt erst nach und nach, eben nach 10 Minuten und 38 Sekunden zur Ruhe. In dieser Zeit erinnert sich Leila, oder Tequila Leila wie ihre Freunde sie nannten, an die wichtigsten Stationen ihres Lebens – ihre Kindheit in der ostanatolischen Provinz Van, in einem streng patriarchalisch-religiösem Haus, und mit einem Onkel, der öfter mal die Grenzen überschreitet oder ihre Zeit in den Bordellen Istanbuls.

So bedrückend und ausweglos Leilas Leben auch von der ersten Sekunde scheint, sie gibt nicht auf. Sie findet ihren Weg, wenn auch über Umwege und gewiss nicht so, wie sie es verdient hätte. Die Erinnerungen an ihre fünf besten Freunde und ihre große Liebe zeigen deutlich, wie sehr sie geliebt wurde. Die Erinnerungen werden nicht klassisch mit „als ich sechs war…“ oder „damals, in der Schule an einem Sonntag…“, sondern stattdessen mit Düften eingeleitet. Der Duft nach Kardomomkaffee, den sie mit ihrem späteren Ehemann teilt. Oder der Geschmack von Salz auf ihrer Zunge, als sie auf die Welt kommt und zuerst nicht schreien will. Oder der Duft von Wassermelonen, im traumatischen Sommer, in dem der Onkel das erste von vielen Malen nachts in ihr Bett steigt. Jede Erinnerung ist mit einem prägenden Ereignis verknüpft. Und davon gab es in Leilas kurzem Leben einige.

Für Leila gibt es kein Begräbnis nach islamischem Brauch, keine Feierlichkeiten und keine Würde im Sterben. Stattdessen muss sie, wie Millionen andere, die in der türkischen Gesellschaft wie sie als Prostituierte geächtet werden, auf dem sogenannten Friedhof der Geächteten, ihre letzte Ruhe finden, nachdem man sie in einer Mülltonne ermordet auffindet. Für Leila geht die Geschichte dank ihrer Freunde doch noch den Umständen entsprechend aus. All den anderen Menschen, die in der Türkei leiden, unterdrückt werden und am Rand der Gesellschaft leben müssen, gibt Elif Shafak mit „Unerhörte Stimmen“ genau das – eine Stimme.

Originalsprache: Englisch

Originaltitel: 10 Minutes 38 Seconds in this strange world

Seitenzahl: 432 Seiten

Erscheinungsdatum: 13.05.2019

Über Menschen – Juli Zeh

Juli Zeh´s neuer Roman spielt inmitten der Coronapandemie. Eine Werbetexterin flieht aus der schicken Kreuzberger Wohnung nach Bracken, einem fiktiven Ort in der Prignitz. Wovor Dora, so heißt sie, genau flieht wird erst im Laufe des Buches klar: Vor ihrem Freund, einem typischen „Gutmensch“, der nun nicht mehr nur gegen Klimasünder, sondern auch gegen Corona-Verharmloser in den Kampf ziehen muss. Vor der Enge. Vor dem Lärm. Vor dem Stress. Ständig steigen Bläschen auf, die sich Bahn brechen wollen und die der Vorbote der totalen Übermüdung und Überforderung für Dora sind. In Bracken muss Dora ihre Glaubenssätze überdenken. Das Weltbild, die Dora kennt, und die sie beharrlich in schwarz und weiß, gut und böse, rechts und links eingeteilt hat, gerät ins Wanken. Sie muss sich daran gewöhnen, dass der Dorfnazi, der für eine versuchte Tötung auf Bewährung ist, das Horst-Wessel-Lied singt und „Linke klatscht“, gleichzeitig ein liebevoller Vater und fürsorglicher Nachbar sein kann. Der ihr heimlich Stühle in den Garten stellt, mit ihr die Wände streicht und ihr unaufgefordert ein Bett und Wolfsfiguren schnitzt und abends an der Mauer die letzte Zigarette raucht.

Juli Zeh schafft es, dass man auch als Leser seine Einstellungen und unumstößlich geglaubten Wahrheiten hinterfragt. Plötzlich gibt es nicht mehr nur schwarz und weiß, sondern grau in den buntesten Abstufungen. Es gibt nicht die eine Wahrheit. Sondern Varianten. Niemand ist nur böse. Niemand ist nur gut. Nichts ist nur richtig und nichts ist nur schlecht. Und wie Dora, die am Anfang fast an diesen Widersprüchen zu zerbrechen droht, und am Ende ihren todkranken Nazinachbarn pflegt, mit den linken Gärtnern ein Dorffest veranstaltet und plötzlich Ersatzmutti spielt, schafft man auch als Leser am Ende das Kunststück, manche Widersprüche nicht immer nur zu zerdenken, sondern einfach als das zu akzeptieren, was sie sind.

Ich liebe Juli Zeh schon seit langem, weil sie in jedem ihrer Romane das Kunststück hinbekommt, eine anfänglich ziemlich banale Erzählung in eine Gesellschaftskritik zu verwandeln. Bei Juli Zeh ist ein Roman nicht bloß ein Roman, sondern enthält so viel Tiefgang und Intelligenz. Sie traut sich, die großen Fragen unserer Zeit zu stellen. Gibt einem die Chance, sie für sich zu beantworten, ohne einem eine vorgefertigte Meinung aufs Auge drücken zu wollen.

Seitenzahl: 416

Erscheinungsdatum: 22. März 2021

Drei- Dror Mishani

Von der deutschen Provinz geht es nach Israel. Zu drei suchenden Frauen. Die eine sucht Trost, die andere nach einem Zuhause und die dritte etwas völlig anderes. Sie alle finden denselben Mann. Dieser Mann steckt voller Geheimnisse und Widersprüche. Aber auch die Frauen erzählen ihm nicht alles.

Los geht es mit Orna. Sie wohnt alleine mit ihrem Sohn in einer nichtssagenden Stadt in Israel, nachdem ihr Mann sie für eine andere verlassen hat und nach Nepal ausgewandert ist. Sie ist einsam, traurig, isoliert und meldet sich in ihrer Verzweiflung in einem Datingportal an. Dort trifft sie auf Gil, der laut eigener Aussage geschieden und Vater zweier Töchter ist. Sie chatten und wie es halt so läuft, treffen sie sich irgendwann in einem Hotelzimmer. Gil wartet immer nur ab, es ist Orna, die dieses und alle weiteren Treffen vorschlägt. Als Orna und ihr Sohn in einem Einkaufszentrum unterwegs sind und Gil mit seiner Familie und seiner Frau treffen, von der er ja eigentlich getrennt sein soll, bekommt Orna ein mulmiges Gefühl. Anstatt jedoch darauf zu hören, gehen sie irgendwann gemeinsam nach Bukarest, auf Gils Vorschlag hin, eine Geschäftsreise gemeinsam fortzusetzen. Orna kann es kaum erwarten, wundert sich jedoch, als im Hotel kein Zimmer auf ihn reserviert ist und er, als er viel zu spät ankommt, kein Gepäck dabeihat.

Weiter geht es mit Emilia, einer Krankenpflegerin aus Lettland. Seit der Mann, den sie gepflegt hat, stirbt, sehnt sie sich nach einem neuen Zuhause. Einer Familie. Sie wendet sich an den Sohn ihres verstorbenen Arbeitgebers – Gil, der als Rechtsanwalt praktiziert und ihr eine neue Anstellung verschaffen will. Nebenbei arbeitet sie als Putzfrau für ihn, was sich als verhängnisvoll erweist: Beim Staubwischen entdeckt sie in einer Schublade alte Zeitungen, die alle das Gesicht derselben Frau, einer Israelin, die Selbstmord beging, auf der Titelseite haben. Bald darauf erzählt Gil auch ihr, dass er geschäftlich nach Bukarest reisen muss und bittet sie, ihn zu begleiten.

Bei Ella ist alles anders. Gil spricht sie an. Gil interessiert sich für sie, als er sie jeden Tag konzentriert in einem Cafe arbeiten sieht. Gil initiiert die Treffen und Gil überlegt sich tatsächlich ernsthaft, seine Frau zu verlassen. Ella ist anders. Wie sehr sie auch in jeder anderen Hinsicht als die ersten beiden Frauen ist, erfährt Gil jedoch erst viel, viel später…

Dror Mishani erzählt diesen Thriller spannend und dennoch herrlich unaufgeregt. Die Geschichte beginnt ganz langsam, nimmt dann nach und nach immer mehr Fahrt auf und endet in einem Crescendo der Spannung, das kaum auszuhalten ist. Unbedingt lesenswert!

Originalsprache: Hebräisch

Originaltitel: Shalosh

336 Seiten

Erscheinungsdatum: 28.08.2019

Ein wenig Leben – Hanya Yanagihara

Ich habe dieses Buch vor knapp drei Jahren, in meinem letzten reinen Strandurlaub gelesen. Eigentlich habe ich in diesem Urlaub wenig anderes getan, als dieses Buch zu lesen. Diese ganz spezielle Mischung, aus tiefer Dunkelheit, Traurigkeit und Ausweglosigkeit, die aber immer wieder durchbrochen wird von Liebe und Hoffnung, wühlt auf und schafft das, was wirklich große literarische Kunst ist: Sie lässt einen fühlen. Wie oft kommt es heute noch vor, dass ein Buch uns wirklich berührt, wirklich etwas in uns bewegt? Ich habe selten ein Buch gelesen, das so vielschichtig war, gleichzeitig so brutal und so wunderschön war. 

Willem, JB, Malcom und Jude lernen sich am College kennen und begleiten einander von da an, auch die nächsten 30 Jahre, durch alle Phasen des Lebens. Schnell wird jedoch klar, dass vor allem die dunkle, schmerzhafte Vergangenheit und innere Zerrissenheit von Jude das Leben der drei anderen bestimmt. Immer wieder wird man auch als Leser in Judes traumatischste Episoden hineingezogen. Wird Zeuge unsäglicher Grausamkeit und fühlt fast körperlichen Schmerz. Zu schmerzhaft ist es, sich vorzustellen, welche Qualen Jude, der brillante, charismatische und zutiefst liebevolle Jude, der alles für seine Freunde und die Menschen, die er liebt, tun würde, erleiden musste und immer noch muss. Immer, wenn man denkt, es nicht mehr länger aushalten zu können, kurz davor ist, das Buch wegzulegen und erst wieder weiterzulesen, wenn man seelisch unverwundbar ist, folgen Momente bedingungsloser Liebe, tiefer Freundschaft und menschlicher Güte. Das ist die große Stärke dieses Buchs: Kurz bevor der Schmerz und die Fassungslosigkeit unerträglich werden würden, kommt die Rettung in Form von allem Schönen, das diese Welt noch anzubieten hat. Wenn du nur ein Buch in deinem Leben lesen darfst, dann lies dieses hier! 

Originalsprache: Englisch

Originaltitel: A little life

960 Seiten

Erscheinungsdatum: 30.01.2017

Das große Buch vom Schlaf – Matthew Walker

Prof. Dr. Matthew Walker, der nicht nur Autor, sondern vor allem Direktor des Schlalflabors der UC Berkeley und somit Schlafforscher ist, spricht in diesem Buch über sein ganz persönliches Lieblingsthema: Schlafen. Er erklärt, warum schlafen so wichtig ist und was mit uns passiert, wenn wir dauerhaft zu wenig schlafen. Schlaf ist einer der wichtigsten und zugleich unterschätztesten Aspekte eines gesunden Lebens. Wenn man irgendwo Zeit sparen muss, dann ist das erste, das wegfällt, die Nachtruhe. Dass das fatal ist, erklärt Dr. Walker, ebenso wie der richtige Schlaf uns klüger, schlanker, attraktiver macht. Außerdem beugt genug Schlaf auch noch Krebs und Demenz vor, verringert das Risiko für einen Herzinfarkt und Diabetes und stärkt das Immunsystem. Ihr seht schon – schlafen ist sozusagen unsere Superkraft. Wir müssen nur wieder lernen, sie auch einzusetzen. Anstatt eine Tablette nach der anderen einzuwerfen, eine Diät nach der anderen zu machen oder Koffein in uns reinzukippen sollten wir lieber ein paar Stunden länger schlafen. So einfach, oder?

Jeder, der schon mal Einschlafprobleme hatte, oder jeden Morgen von seinem Wecker aus dem Schlaf gerissen wird, sollte dieses Buch lesen. Man lernt so unglaublich viel über seinen Körper, sich selbst und die faszinierende Welt des Schlafes. Die Begeisterung, die Prof. Dr. Matthew Walker für sein Forschungsgebiet verspürt, kann man förmlich durch die Seiten spüren. Und ehe man sich versieht, ist man auch infiziert von dieser Wunderdroge.

Originalsprache: Englisch

Originaltitel: Why we sleep

Seitenanzahl: 480 Seiten

Erscheinungsdatum: 19.11.2018

Ich hoffe, ich konnte euch ein wenig inspirieren und freue mich, wenn ihr mir einen Kommentar dalasst, welches Buch euch besonders gefallen hat. Bis bald!

Ich freue mich, dass du auf meinem Blog gelandet bist!

Ich bin Rebecca, sechsundzwanzig Jahre alt und habe vor kurzem meinen Master in Volkswirtschaftslehre abgeschlossen. Seit etwa einem halben Jahr arbeite ich in einem jungen Startup. Das sind die Basics.

Aber das, was unter der Oberfläche steckt, das, was mich wirklich lebendig fühlen lässt, das erfahrt ihr hier. 

Denn das Schreiben ist das, was mich wirklich erfüllt. Seit ich denken kann schreibe ich. Über alles. Über meine Ziele, meine Ängste, meine Träume, meine Sehnsüchte, meine Rückschläge, Reisen, die großen und die kleinen Dinge und alles dazwischen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert