Landschaft Norwegen
2. Oktober, 2021

WORAUF ES IM LEBEN WIRKLICH ANKOMMT​

Ich schreibe diesen Blogpost auf der Terrasse unseres Airbnbs in einem kleinen Dorf in der Provence. Es ist der 04. April 2021 und während in Deutschland und eigentlich auch im Rest der Welt diese mal wieder untergehen zu scheint, geht hier nur die Sonne unter, nach einem weiteren malerischen, träumerischen und fast schon zu perfekt scheinendem Tag. Ich habe diese Reise so sehr gebraucht. Nach 7 Monaten des Daheim-Sitzens, das aus Arbeiten, Arbeiten, Arbeiten und Spaziergängen und natürlich Yoga bestand, hatte ich allmählich das Gefühl, nach nur einem weiteren Tag am Bildschirm völlig die Nerven zu verlieren. Ich sah das Leben und die Welt an mir vorbeiziehen, meine Lebenslust und meine Jugend gleichermaßen verschwinden und ertappte mich immer öfter dabei, wie ich mir die immer gleiche Frage stellte: Soll das alles gewesen sein?

Soll das schon alles gewesen sein? Sieht so jetzt der Rest meines Lebens aus?

Ich weiß nicht, ob ich einfach nur noch nicht den Job meines Lebens gefunden haben, die Sache, für die ich wirklich brenne, und ob dann, sobald ich diese Sache finde, alles anders, alles leichter wird. Oder ob ich einfach nicht fürs Arbeiten geboren bin, zumindest nicht für diese Art von Arbeit. Dieses stundenlange Sitzen macht mich wahnsinnig. Ich bin so unruhig, zappele auf meinem Stuhl herum, wechsle tausendmal am Tag die Sitzposition und sitze dennoch niemals bequem. Seit Wochen halte ich mich nur dank dreimaligem täglichem Yoga über Wasser und trotz meiner Spaziergänge und meiner Yogapraxis wache ich seit Tagen mit Schmerzen im unteren Rücken auf und gehe mit eben diesen Schmerzen schlafen. Meine Hüftbeuger und mein unterer und oberer Rücken sind so versteift, wie sie höchstens nach einer 24h-Flugreise sein sollten. Meine Augen brennen abends, ich nehme immer mehr zu und mein inneres Licht, mein Feuer, mein Lebenselixier, wird weniger und weniger und weniger. Bis es irgendwann ganz verschwunden sein wird, wenn ich nicht aufpasse. Wenn ich nicht die eine Sache beherzige, um die sich dieser Blog dreht: Achtsam sein. Selbstfürsorge betreiben. Mein Wohlbefinden in den Vordergrund stellen, ohne dabei anderen Schmerzen zuzufügen natürlich.

Also bin ich mit meinem Freund, trotz einer weltweiten Pandemie, trotz europaweitem Lockdown, Shutdown, Confinement oder wie auch immer, nach Südfrankreich gereist. In einer Aktion, die man nur als puren Wahnsinn beschreiben kann. Ohne Testergebnisse, die obligatorisch waren und einfach nicht angekommen sind, zumindest nicht zum benötigten Zeitpunkt, ohne Plan und ohne die Hälfte meines Gepäcks, weil wir bis zur letzten Sekunde nicht wussten, ob wir denn nun losfahren würden oder nicht. Unseren Plan haben wir ständig verworfen, wieder neu aufgenommen und wieder verworfen, bis wir uns dann schließlich, am Abend vorher, endlich entschieden hatten, fahren zu wollen, nur um eine Stunde später von der Rede des französischen Präsidenten, der einen so harten Lockdown wie zu Anfangszeiten der Pandemie ankündigte, inklusive Ausgangssperre ab 19 Uhr und einem Bewegungsradius von 10km vom Wohnort entfernt, so verunsichert zu werden, dass wieder alles unsicher erschien. Nach einer schlaflosen Nacht haben wir uns um  5 Uhr morgens dann endgültig und eher spontan als alles andere dazu entschieden, es einfach zu riskieren. Denn hier ist das Ding: Was hatten wir zu verlieren? Die Alternative zu unserem riskanten, waghalsigen Versuch war eine Woche – eine weitere Woche wohlgemerkt – mit meinen Eltern und meinem Bruder, voller Spaziergänge und kochen und Brettspielen, im selben Dorf, in dem ich seit sieben Monaten quasi ohne Unterbrechung bis auf meine Wochenenden in Stuttgart bei meinem Freund, jeden Tag dasselbe machte, tagein tagaus.

Selbst eine Autofahrt, die auf direktem Weg wieder zu Hause geendet hätte, an der Grenze abgefangen und zurückgeschickt, erschien uns beiden spannender und erstrebenswerter als diese Aussichten. Ich weiß, für einige wird das nicht nachvollziehbar sein. Ich habe mir schon genug Sachen anhören dürfen, von „Ist es so scheiße bei dir zu Hause, dass du lieber in ein Lockdown-Land fährst als hier zu bleiben?“ über „Das ist so egoistisch und so unnötig von dir. Wegen Leuten wie dir haben wir Corona überhaupt erst. Wenn sich alle so wenig an die Regeln halten würden wie du würde Deutschland den Bach runter gehen“ bis hin zu „Du hast Recht, dass du das gemacht hast! Ich hab auch so die Schnauze voll von diesen Regeln, diesem Eingesperrt-Sein“. Ich konnte alle drei Haltungen und Ansichten verstehen und schwankte selber ständig hin und her. Aber ich bin im Kern einfach jemand, der seine Freiheit über alles liebt und braucht. Sobald ich das Gefühl habe, eingesperrt zu sein, renne ich los und tue alles dafür, mich aus den vermeintlichen Klauen zu befreien. Ich brauche Abwechslung, brauche neuen Input, neue Umgebungen, neue Gerüche, neue Sprachen, neue Gesichter um mich herum. Nur dann bin ich glücklich und nur dann funktioniere ich so gut, wie ich in Höchstform funktionieren kann. Routine und Monotonie macht mich kaputt.

Was macht dich glücklich? Was lässt deine Augen strahlen und was dein Herz tanzen?

Mit jedem Tag, den wir länger in Südfrankreich sind, merke ich mehr, wie meine Lebensgeister, meine Lebenslust und meine echte, unbedingte Freude am Leben zu sein, nach und nach zurückkehren. Mit jedem Croissant, jedem Baguette, jeder Mango und jeder Orange, die noch besser schmeckt als die vorherige, jedem Aperitivo auf unserer Terrasse, jedem einzelnen Sonnenstrahl, jedem neuen Geruch, jedem neuen Morgen, der mit Vogelzwitschern und Kuscheln beginnt, jeder Wanderung und jedem kleinen besichtigten Dörfchen, jedem Bonjour und jedem neuen Gesicht, jedem Kuss und jedem Lacher und sogar mit jedem Abend, den ich mit dem Planen des nächsten Tages verbringen kann, jedem Abend, an dem ich ins Bett gehe in der Gewissheit, dass der nächste Tag wieder neue Erlebnisse, neue Eindrücke, neue Gerüche und neue Herausforderungen mit sich bringen wird, und jedem Morgen an dem ich schon um kurz nach sechs putzmunter und hellwach aus den Federn steige, voller Vorfreude auf alles, was mir dieser neue Tag bringen mag begreife ich mehr und mehr, was mir im Leben wirklich wichtig ist und vor allem was mich im Leben glücklich macht: Trommelwirbel….Frei sein. Abenteuer erleben. Frisches Obst. Echter Käse, nicht dieses industrielle Gemansche, was man im Supermarkt kaufen kann. Bauernmärkte. Sonne. Maxime. Lachen. Zeit. Lesen. Guter Wein und gute Gespräche. Genießen. Wandern. Natur. Architektur.

Nichts von dem, was mich Glücklich macht, hat ansatzweise etwas mit Materiellem oder mit Geld zu tun. Nur damit, frei zu sein. Und dafür braucht man meistens Geld, zumindest, wenn man nicht immer an einem Ort bleiben möchte. Denn so schön die Provence auch ist, und das ist sie wirklich, weiß ich jetzt und wahrscheinlich schon viel länger, als ich es mir eingestehen möchte, dass das, was ich eigentlich wirklich will etwas Anderes ist. Bevor ich darauf eingehe, möchte ich aber noch kurz ein paar Worte über unsere vier Tage in der Provence verlieren. Es ist einfach von vorne bis hinten ein wahrgewordenes Klischee und gleichzeitig so unfassbar schön, so romantisch und so bezaubernd, dass ich am liebsten alle 10 Sekunden anhalten würde und von allem und jedem ein Bild machen würde. Was ich auch meistens tue. Was ich bisher am beeindruckendsten fand, ist wie wichtig Essen und vor allem gutes und frisches Obst und Gemüse sind. Jedes noch so kleine Kaff hat seinen eigenen Wochen- oder sogar Tagesmarkt, auf dem allerlei unverpacktes, regionales und saisonales Obst und Gemüse angeboten wird, daneben Käse, Wurst und Backwaren. Also alles, was das provenzialische Herz (und abgesehen von der Wurst auch das meine) begehrt. Ich habe noch nie so saftige und so süße Orangen gegessen wie auf einem Wochenmarkt in einem Kaff in der Nähe von Marseille. Generell ist Essen hier so wichtig wie ich es selten erlebt habe und womit ich mich persönlich sehr viel mehr identifizieren kann als mit dem eher zweckmäßigen und billigem Essen, das in Deutschland zum Großteil im Supermarkt gekauft wird.

Abgesehen vom Essen finde ich die Dörfer, aber auch die Städte und die damit verbundenen süßen kleinen Läden, die noch nicht von den bei uns überall dominierenden Ketten vertrieben wurden, die klassischen Häuschen mit ihren Fensterläden und den Gärten in denen Lilac und Lavender blühen. Und die Berge und die Natur. Und natürlich die entspannte Art, das Leben anzugehen. Dass der Fokus nicht auf Geld und Karriere liegt, sondern auf Freizeit und dem Genießen. Was mich zu dem bringt, was ich für mich brauche:  Nämlich frei sein. Selbstständig sein. Meine Zeit so einteilen, wie es für mich passt. Wenig arbeiten oder besser gesagt effizient arbeiten und so, dass man seine Aufgaben erfüllt und nicht einfach 8 Stunden abwartet. Viel lesen. Mich treiben lassen. Neues entdecken. Gutes Essen. Sport.

Ich weiß nicht, ob die Antwort auf jede meiner Fragen reisen ist. Aber ich weiß, dass es die Frage ist, die mich seit Jahren umtreibt. Dass es diese Neugier, diese Lust, aus dem Alten, aus dem Gewohnten auszubrechen ist, die mich weitermachen lässt, die mich träumen lässt. Ich kann nicht mein Leben lang in einem klimatisierten Büro sitzen, an einem Ort an dem ich eigentlich gar nicht sein will, für einen Chef und eine Firma, die mir eigentlich egal ist. Sowieso habe ich festgestellt, dass mir ziemlich viel egal ist. Welches Auto ich oder irgendjemand anders hat ist mir egal, wie reich du bist ist mir egal, wie geil deine Karriere ist ist mir egal. Alles, was mich interessiert ist die Frage, ob du glücklich bist im Leben. Mit dem, was du tust. Ob es dich erfüllt. Ob es dich von innen heraus zum Brennen bringt. Ob du das Gefühl hast, Lebenszeit gegen Geld einzutauschen und ob du mit einer Million auf dem Konto noch genauso weitermachen würdest wie bisher oder endlich die Chance nutzen würdest, dein Leben zu ändern. Oder ob du das Gefühl hast, genau das zu machen, wofür du bestimmt bist. Ob du noch träumst oder ob dich die Welt und die Realität schon so abgestumpft gemacht hast, dass du immun gegen Poesie, gegen Liebe und gegen das Schöne, das etwas Irreale geworden bist. Ob dein Feuer schon erloschen ist oder ob es nie gebrannt hat. Ob du noch die Gabe von Kindern besitzt, einfach in der Gegend herumzuschauen, einfach dazusitzen, ohne an all die To-do-Listen zu denken, die sich in deinen Gedanken und auf deinen Tischen stapeln, sondern einfach nur den Duft des Frühlings zu genießen.

Lebenslanges Reisen? Ist das die Lösung oder nur Wegrennen?

Ich weiß nicht, ob die Antwort auf jede meiner Fragen lebenslanges reisen ist. Aber ich weiß, dass ich es ausprobieren muss, weil es mich nicht mehr loslässt. Ich bin so schnell gelangweilt, ich kann nicht immer nur am selben Ort bleiben, auf meine sechs Wochen Urlaub im Jahr hinfiebern und dazwischen mein Leben an mir vorbeiziehen lassen. Nur weil mein Job nicht schlecht ist und ich ihn nicht hasse, heißt das nicht, dass es der Job ist, den ich für den Rest meines Lebens machen sollte. 75 Jahre lebt der Durchschnittsdeutsche. Ein Drittel davon habe ich schon aufgebraucht und den Großteil davon habe ich sehr genossen. Ich möchte dass die anderen zwei Drittel mindestens genauso schön werden und nicht, dass ich mit 45 anfange, die Monate bis zur Rente zu zählen und sie in einem eigens dafür angelegten Kalender durchzustreichen. Bei meinem allerersten Ferienjob hat einer der Mitarbeiter genau das gemacht: die letzten 20 Jahre seines Arbeitslebens bis zur Rente in einem kleinen Kalender Monat für Monat durchgestrichen. Und ich glaube, das ist das traurigste, das ich jemals gesehen habe. Wie sehr muss man seinen Job und sein Leben hassen, um sowas zu tun? Ich weiß nicht, ob er begriffen hat, dass er nicht nur seine Arbeitszeit durchgestrichen hat, sondern auch seine Lebenszeit. Ich weiß nur, dass ich mir damals geschworen habe, dass ich wenn ich mich jemals in einer ähnlichen Situation befinden sollte, mutig genug sein will und das Ganze beenden.

Klar kann man nicht nach einer Woche kündigen und manchmal muss man auch einfach durchhalten. Aber wenn die Phase des Durchhaltens länger als ein Jahr dauert dann ist das vielleicht kein Durchhalten mehr sondern Zeit absitzen. In meinem ersten richtigen Job, in dem ich mich im Moment befinde, fühlt es sich leider häufig so an. Ich weiß, es gibt schlimmere Jobs und meine Eltern haben mir auch immer eingetrichtert dass das Leben nicht nur Reisen und Spaß ist. Aber es kann doch auch nicht immer nur Arbeit sein. Ich weiß nicht, was das Richtige ist, aber ich weiß, dass es für mich nicht das Richtige ist, jeden Tag in einen oder zwei Bildschirme zu starren und das Leben an mir vorbeiziehen zu sehen. Meine Jugend, meine Lebensfreude, meine Abenteuerlust, alles. Ich fühle mich nicht lebendig, ich fühle mich nur existent. Richtig lebendig fühle ich mich wirklich nur, wenn ich unterwegs bin. Und das muss gar keine zehnwöchige Reise durch den indonesischen Dschungel sein, bei der man nicht weiß, ob man sie überleben wird. Schon eine zehntägige Reise nach Südfrankreich reicht aus, damit ich mich wieder lebendig, wieder wie ich selber fühle. Oder ein Wochenendtrip nach Prag. Oder ein Tagesausflug in die Berge. Es ist eigentlich ganz egal wohin, Hauptsache weg.

Ich will damit auch niemandem zu nahetreten, weil ich weiß, dass das nicht für alle der Fall sein wird. Aber jeder von euch hat bestimmt diese eine Sache, diese eine Sache die ihn lebendig fühlen lässt. Es ist egal was es ist. Es kann Marathon laufen sein, Yoga, lesen, wandern, stricken, Sex, Kinder großziehen, basteln, Sprachen lernen, oder meditieren oder was auch immer. Egal, was es ist, macht es. Macht es so oft und so lange ihr könnt. Denn ich glaube, das ist das Geheimnis und der Sinn des Lebens: So viele glückliche und lebendige Momente wie möglich zu erleben. Und so wenig auf die Meinung anderer zu geben wie möglich. You do you. I do me.

Ich freue mich, dass du auf meinem Blog gelandet bist!

Ich bin Rebecca, sechsundzwanzig Jahre alt und habe vor kurzem meinen Master in Volkswirtschaftslehre abgeschlossen. Seit etwa einem halben Jahr arbeite ich in einem jungen Startup. Das sind die Basics.

Aber das, was unter der Oberfläche steckt, das, was mich wirklich lebendig fühlen lässt, das erfahrt ihr hier. 

Denn das Schreiben ist das, was mich wirklich erfüllt. Seit ich denken kann schreibe ich. Über alles. Über meine Ziele, meine Ängste, meine Träume, meine Sehnsüchte, meine Rückschläge, Reisen, die großen und die kleinen Dinge und alles dazwischen.

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